Wettbewerbsfähigkeit: Deutschland ist übers Ziel hinaus geschossen

Konjunktur-


Die noch relativ stabile deutsche Wirtschaft innerhalb der Eurozone könnte insgeheim auf einem sehr labilen und sogar hausgemachten Sockel stehen. Das bisherige Streben nach Wettbewerbsfähigkeit baute auf Verdrängung bis hin zur Kaltstellung der eigenen Handelspartner, die nun auf Kosten der Steuerzahler über Wasser gehalten werden müssen.

Euro-Wirtschaft
Deutsche Wirtschaft in isolierter Euro-Position

Als wenn Deutschland mit dem Bestreben, die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, weit über das Ziel hinaus geschossen wäre, könnten sich alle bisherigen Bestreben als ein „Plattschuss nach Hinten“ herausstellen.

Es steht außer Frage, dass sich durch eine hervorstechende Eigenschaft von der Konkurrenz abgehoben werden muss, um sich im Markt behaupten zu können. Deutschlands Politik und Wirtschaft setzten sichtlich auf die gegenüber den Mitbewerbern sehr niedrigen Lohnstückkosten, damit die Waren „günstig von der Hand“ gingen.

Ein vermeintlich einfaches Gegenrezept für die verdrängten Konkurrenten könnte die Anpassung der eigenen Wirtschaft in Anlehnung des „deutschen Vorbildes“ sein. Allerdings handelte es sich eher um eine Milchmädchenrechnung statt um einen vernünftigen Weg, da Deutschland einen Sonderweg ginge, der eine dauerhafte Verletzung des Inflationsziels voraussetzte, argumentierte Heiner Flassbeck, Wirtschaftswissenschaftler und Direktor bei der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD – UNO-Organisation für Welthandel und Entwicklung), bei einem Vortrag auf dem IMK Konjunkturforum.

Nationale Währungen lassen den Ländern zu, die eigene Wettbewerbsfähigkeit durch Auf- und Abwertungen ihres Zahlungsmittels maßgeblich zu beeinflussen. Damit die Voraussetzungen gegeben sind, eine einheitliche Währung in mehreren Ländern einzuführen, müsste mit der Vereinigung eine einheitliche Inflationsrate als Ziel gesetzt werden, so Flassbeck. Seit dem Beginn der Eurozone wäre das Inflationsziel innerhalb der ersten 12 Jahre auf den ersten Blick erreicht worden, jedoch nur als der durchschnittliche Wert aller Mitgliedsstaaten. Im Hintergrund driftete die Inflationsraten der einzelnen Länder jedoch weit auseinander. Südeuropäische Euro-Länder wiesen eine zu hohe und Deutschland eine zu niedrige Inflation vor.

Die Preise für Waren und Güter sind entsprechend auseinander gelaufen und erreichten inzwischen einen Abstand von 30 Prozent. „So kann eine Währungsunion nicht funktionieren“, resümierte der UNCTAD-Direktor. Deutschlands Lohnentwicklung wäre stark zurückgeblieben und wirkte sich auf die Entwicklung der Lohnstückkosten aus, ein Kernproblem zu den bisherigen Entwicklungen. Die Lohnentwicklung eines Landes wirke sich zentral auf die Preisbestimmung aus und diese wiederum bestimmten die Wettbewerbsfähigkeit von Volkswirtschaften, so Flassbeck.

Deutschlands dramatische Anstiege bei den Exportüberschüssen hätten erst nach dem Beginn der Währungseinheit eingesetzt. Deutschland hätte durch die Preisgestaltung die Abnehmerländer seiner Produkte ansteigend unter Druck gesetzt. Noch vor dem Euro dominierten jedoch ausgeglichene Haushaltsbilanzen.

In Deutschland würden jetzt erhöhte Lohnsteigerungen erforderlich sein, um den anderen Ländern langfristig mehr Spielraum zu geben, damit dort die Wettbewerbsfähigkeit wieder hergestellt werden könne. Sollten jedoch alle Mitgliedsstaaten die gleiche Anstiegsrate der Lohnstückkosten anstreben, so der Ökonom, würde der 30%-ige absolute Vorteil Deutschlands gegenüber den südeuropäischen Euroländern bestehen bleiben. Diese hätten somit niemals eine Chance, ihre Schulden jemals begleichen zu können.

Der deutsche Weg klingt wider alle Vernunft

Das IMK stellte bereits die „Vernichtung“ des deutschen Auslandsvermögens durch Leistungsbilanzüberschüsse im Rahmen von rund 20% fest. Im Zeitraum zwischen 1999 und dem dritten Quartal 2012 wären somit rund 269 Milliarden Euro deutsches Vermögen ausgelöscht worden.

Im Prinzip verzichtete der deutsche Arbeitnehmer (unfreiwillig) auf ein höheres Einkommen und, hatte über Jahre hinweg ein sinkendes Realeinkommen zu erleiden, damit die deutsche Wirtschaft die „Euro-Partner“ an die Wand drücken konnte. Die „Belohnung“ zeichnet sich als die Verschenkung von Waren, Produkte und Dienstleistungen in einem Gegenwert von 269 Milliarden an die Abnehmerländer ab. Diese wiederum wurden derart unter Druck gesetzt, dass längst vierstellige Milliarden-Beträge notwendig wurden, um deren vollständigen Kollaps zu verhindern.

Deutsche Arbeitnehmer könnten sich durch „gesunde“ Lohnsteigerungen und einer daraus resultierenden „gesunden“ Inflation einen höheren Lebensstandard leisten, statt zu Niedriglöhnen die Geschenke zum Nulltarif zu produzieren, um womöglich am Ende für Euro-Rettungsaktionen zusätzlich vom mühsam Ersparten enteignet zu werden.

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