Mario Draghi überrascht – Neuer EZB Chef senkt Leitzinsen
Waren sich schon vorher viele „Finanzexperten“ einig, dass Draghi zu seinem Amtsantritt als neuer Präsident der Europäischen Zentralsbank, den Leitzinz keinesfalls anfassen wird. In der Financial Times wird Julian Callow, Chefökonom der britischen Großbank Barclays und einer der besten EZB-Kenner, zitiert. „Wir erwarten nicht, dass eine Zinssenkung bei der EZB-Pressekonferenz angekündigt wird“. Die überraschend durchgesetzte Leitzinssenkung spaltet die Meinungen der „Wirtschaft-Profis“ dafür um so mehr. Aus einem Lager erhält Mario Draghi Beifall und Jubelrufe, das andere Lager erinnert an die ausdehnende Geldpolitik der Amerikaner unter der Federführung Greenspans. Fakt ist, Mario Draghi senkte die Zinsen im Euro-Raum von 1,5 auf 1,25 Prozent.

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Der neue EZB-Chef Mario Draghi sieht die europäische Situation pragmatisch und mit Gelassenheit. So präsentierte sich Draghi zumindest bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach der ersten Sitzung als neuer EZB-Präsident. Die Leitzinssenkung um 0,25 Punkten begründete Draghi mit dem Entgegenwirken einer sich abwärtsbewegenden Konjunktur. Er sieht zwar eine „milde Rezession“, kann aber die Gefahr einer steigenden Inflation nicht erkennen. „Nein, wir sehen keine Inflation“.
Draghi sieht in der Eurozone ab 2012 die Inflationsrate auf unter 2 Prozent sinken, schränkte die Ursachen allerdings auf stabile Löhne und Kosten ein. Eine Änderung der Geldpolitik für die Aufkäufe von Staatsanleihen soll jedoch auch unter Draghi fortgesetzt werden. Diese „Sondermaßnahme“ soll die Geldpolitik der EZB am Leben halten. Draghi erklärte zu diesem Thema „Wir wollen, dass unsere Geldpolitik funktioniert“.
Bemerkenswert jedoch erscheint der beinahe schon „verliebte“ Umgang mit der Deutschen Bundesbank. In der Financial Times: „Ich habe sehr viel Bewunderung für die Tradition der Bundesbank“. Draghi empfindet „größte Bewunderung“ für die beiden Präsidenten Dr. Tietmeyer und Dr. Schlesinger.
Einst war die Deutsche Bundesbank die mächtigste Notenbank Europas. Die Liebesbezeugungen Draghis erinnern mehr an eine tiefe Bewunderung der Größe und Stärke ausgestorbener Dinosaurier aus der Sicht eines neuzeitlichen Archäologen. Die Überreste deutlich vor Augen, aber unvermögen die Gründe für die erfolgreiche Existenz erklären zu können.

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Die „neuzeitliche“ EZB hat mit der Deutschen Bundesbank nur noch so viel gemeinsam, als dass es sich um zentrale Notenbanken handelt. Die Unabhängigkeit und Politik zur Stabilität der ehem. Deutschen Bundesbank wird von der EZB zwar bewundert, aber keinesfalls nachempfunden.
Die Verträge zu den Stabilitätskriterien nach Maastricht und Brüssel sind nur noch reine Makulatur. Draghis Antwort „dass sehen die Verträge nicht vor“, auf die Frage, ob Griechenland aus der Europäischen Union verdrängt werden könnten, kann deshalb nur noch als ein „schlechter Witz“ aufgefasst werden.
Mario Draghi war vor dem Amtsantritt als EZB-Chef am 01.11.2011 Präsident der Italienischen Nationalbank (Gouverneur der Banca d’Italia). Draghi war u.a. Direktor der international operierenden Goldman Sachs Bank. Als neuer Präsident der Italienischen Nationalbank geriet Mario Draghi als Teilhaber der Privatbank Goldman Sachs in Interessenskonflikte und war mehr oder weniger gezwungen, seine Anteile einem Blind Trust zu verkaufen. Die Diskretion im Interesse Draghis wurde somit gewahrt.
Die folgenden Sitzungen des neuen EZB Präsidenten werden den eingeschlagenen Kurs offenlegen. Eine Unabhängigkeit der EZB wie die der einstigen Deutschen Bundesbank ist jedoch ausgeschlossen. Starke Einflüsse der politischen und wirtschaftlichen Interessen werden die Beschlüsse der Europäischen Zentralbank auch in der Zukunft gegen das Wohl der europäischen Bevölkerung richten.