Ökonom de Grauwe: Die EZB müsse gesamte Feuerkraft aufbieten
„Zwei Ökonomen, zwei Meinungen“. Die Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB), die Anleihezinsen der Krisenländer mit Aufkäufen der Staatspapiere zu drücken, stößt vieler Ort auf heftigen Widerstand. Eine sehr „kontrastreiche“ Meinung vertritt der Wirtschaftsexperte Paul de Grauwe. Er befürwortet sogar einen massenhaften Kauf von Staatsanleihen, um somit Panik am Markt beruhigen zu können.
Überblick
„In den Finanzmärkten herrsche Angst und Panik“

Paul de Grauwe sieht die Finanzmärkte derzeit von Panik und Angst getrieben. Im Interview mit Zeit Online (Freitagsausgabe) erklärt der Ökonom, warum die Investoren die Staatsanleihen aus den „Ländern der Peripherie“ verkauften. „Sie fürchten, dass sie ihr Geld nicht wiedersehen“, so de Grauwe.
Die Wirtschaft der Länder würde durch die ansteigenden Zinsen belastet werden. Es wäre ein Teufelskreis, wenn die Staaten mehr Geld für ihre Zinslast aufbringen müssen, während die Zinsen in diesen Ländern in die Höhe schnellten.
In den Augen de Grauwes wäre es eine Aufgabe der EZB die Finanzierungskosten auf eine „angemessenes Niveau“ zu halten und die Märkte dadurch zu beruhigen. Die Krisenländer hätten bereits sehr viel für Reformen unternommen und dennoch würden sie von den Finanzmärkten abgestraft werden.
„Die Finanzmärkte irren sich“
De Grauwe hätte Verständnis für die deutschen Ökonomen, die Schwierigkeiten darin hätten, „zu akzeptieren, dass sich die Finanzmärkte irren. Aber das tun sie immer wieder“. Bereits in den vergangenen Jahren hätten die Märkte die Risiken unterschätzt und billiges Geld an Südeuropa ausgehändigt. Heute überschätzten die Märkte die Risiken und zögen aus diesem Grund ihr Geld ab.
Der Ökonom hält das einst durchgeführte Programm der EZB, die Marktentwicklungen durch Anleihekäufe zu beeinflussen, als falsch konzipiert. Am Ende mussten Griechenland, Portugal und Irland dennoch unter den Rettungsschirm. „Nur wenn die EZB ihre gesamte Feuerkraft aufbietet, hat sie Aussicht auf Erfolg“, so der Wirtschaftsexperte.
Anleihen-Investoren hätten nur geringes Risiko
Das Risiko wäre für Investoren gering, wenn die EZB einen Eingriff immer dann öffentlich erklärte, falls die Preise für Anleihen unter einem vordefinierten Wert fallen würden. Die Staatspapiere könnten so nicht unter einem bestimmten Preis absinken und somit die Abwärtsspirale durchbrechen.
Eine Einführung der in die Diskussion geratenen Zinsschwelle für Anleihen hält de Grauwe für fraglich. Der Widerstand, besonders aus Deutschland, wäre zu groß.
De Grauwe geht davon aus, dass der Steuerzahler „keine Rechnung präsentiert“ bekommt, wenn es sich herausstellte, dass die Krisenländer den richtigen Weg eingegangen sind und die Finanzmärkte dies lediglich noch nicht erkannt hätten. Schließlich würden die betroffenen Mitgliedsländer ihre Anleihen bedienen können. Andernfalls wären Verluste möglich.
Ein klarer Standpunkt etwas „schwammig untermauert“
Der Einsatz der „gesamten Feuerkraft der EZB“ würde im Klartext eine massive Geldflutung durch die „Notenpresse“ bedeuten. Eine Gefahr der Inflation wurde entweder nicht angesprochen oder das Risiko wurde schlicht ignoriert.
Inhaltlich ist klar zu erkennen, dass der Ökonom de Grauwe eindeutig für die EZB spricht und die Pläne von Anleihekäufen befürwortet. Das ist sein Standpunkt, viel mehr aber auch nicht.
„Die Finanzmärkte irren“, mag für das genannte Beispiel zutreffen, aber dies als Richtlinie für weitere Maßnahmen zu verwenden, erinnert an die „Zocker-Natur“ der Banken. „Es könnte ja wieder so sein“. Auf welch schwammigen Boden sich de Grauwes Argumentationen befinden, verdeutlicht er selbst in Bezug auf die Risiken der Steuerzahler, bei dem auf „fiktive Umstände“ zurückgegriffen wird.
De Grauwes Erklärung zu den Risiken könnte auch folgend lauten:
„Ich gehe davon aus, dass morgen die Sonne scheint, würden sich jedoch Wolken bilden, könnte man auch von Regen ausgehen, aber letztendlich hängt es vom Wetter ab wie es wird“.
Paul De Grauwe ist Professor für Internationale Wirtschaft an der Katholieke Universiteit Leuven (Belgien). Darüber hinaus ist er bei der belgischen OpenVLD politisch tätig. Eine weitere Tätigkeit findet sich als Senior Research Fellow im Europäischen Think-Tank Centre for European Policy Studies. wieder. Die Euro-Währungsunion zählt zu seinen Schwerpunkten.
Centre for European Policy Studies (CEPS) ist eine „Europäische Denkfabrik“ mit Sitz in Brüssel. Die Finanzierung dieser Organisation erfolgt aus zahlreichen unterschiedlichen Quellen. Die Einnahmen betrugen 2009 rund 6,7 Millionen Euro und stammten aus zunehmenden Anteilen aus EU-Verträgen, die von der CEPS koordiniert wurden. 27% der CEPS-Einkommen stammten demnach aus Mitgliederbeiträgen, besonders von größeren Wirtschaftsunternehmen.