Deutsche Handelsbilanzüberschüsse als Problem anerkannt
Die Kritiken an Deutschlands chronischen Handelsbilanzüberschüssen sind offenbar bei der Bundesregierung angekommen. Das Ungleichgewicht zwischen Export und Import wird als ein Risiko für die Stabilität der Eurozone anerkannt.
Export-Wut Deutschland: Ein Dauerzustand ist noch längst kein gesunder Zustand
Deutsche Wirtschaft steht vor großen Herausforderungen
Deutschlands Wirtschaft ist auf den Export ausgerichtet. Die massiven Ausfuhren von Waren und Dienstleistungen halten die Bundesrepublik nun schon seit Jahrzehnten an der Weltspitze. Lediglich China behauptete sich bereits als ein sehr starker Konkurrent. Hohe Exportzahlen sind jedoch nur ein Indiz für eine gesunde Wirtschaft, denn sollte der Umfang der importierten Güter deutlich von den Ausfuhren abweichen, ist das gesamte System im Ungleichgewicht. Deutschlands Handelsbilanzüberschüsse – also mehr Export als Import – sind alles andere als ausgewogen.
Im November 2013 erreichte der Wert aller ins Ausland ausgeführten Güter die Marke von 1 Billionen Euro. Alleine im November 2013 exportierten die Unternehmen Waren im Wert von 94,6 Milliarden Euro. Im gleichen Zeitraum stand den Ausfuhren jedoch ein Import von lediglich 76,5 Milliarden Euro gegenüber. Ein Überschuss von 18,1 Milliarden Euro und damit um rund 1,2 Milliarden Euro mehr als noch im November des vorhergegangenen Jahres. Die Jahresbilanz ergab einen Exportwert von 1,094 Billionen Euro gegenüber einem Importwert von 0,895 Billionen Euro.
Die Handelsbilanzüberschüsse Deutschlands sind bereits mehrfach in teils heftiger Kritik geraten. Ökonomen und Politiker aus der EU sowie den USA sehen in den Überschüssen Deutschlands eine Gefahr für die Stabilität der europäischen Ländergemeinschaft. Brüssel kündigte eine Untersuchung der deutschen Exportüberschüsse an und Washington sowie der Internationale Währungsfonds (IWF) stellten Deutschlands „Export-Wut“ an den öffentlichen Pranger. Für das Münchener ifo-Institut gingen die Angriffe gegen die deutsche Wirtschaft deutlich zu weit. ifo-Chef Hans-Werner Sinn sprach sogar von „finsterer Winkelakrobatik„.
Das beständige Ungleichgewicht in den Handelsbilanzen ist ein ungesunder Zustand. So zumindest die einhellige Meinung der Wirtschaftswissenschaftler. Obwohl so manche Kritiken aus dem Ausland weit über das Ziel hinaus geschossen sind, bleibt es dennoch bei offenbar tatsächlich schädlichen Effekten für Deutschland und die Europäische Gemeinschaft.
Die Untersuchungen durch die EU-Kommission sind längst angelaufen. EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn legt am Mittwoch einen ersten Bericht vor. Bei der Bundesregierung scheint inzwischen Einsicht eingekehrt zu sein. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung (Mittwochsausgabe) erkenne das Wirtschaftsministerium die Berechtigung der eingeleiteten Untersuchungen durch die EU. Das beständige Ungleichgewicht in Deutschlands Handelsbilanzen sei „schädlich für die Stabilität der Eurozone“.
Auf die Erkenntnis müssten nun Taten folgen. Doch mit der fest eingefahrenen Schiene des Exports und dem voraussichtlichen Widerwillen der exportierenden Industrie dürfte der Weg zu ausgeglichenen Handelsbilanzen äußerst schwer begehbar sein. Ein Zurückfahren der Exporte spricht vollkommen gegen das zwingend notwendige Wirtschaftswachstum und für gesteigerte Importe müssten vor allem die Geldbeutel der Verbraucher besser gefüllt sein. Die vergangenen Jahre zeigten jedoch eine Entwicklung in die Gegenrichtung.