Ein lupenreiner Lobbyist über die Lebensarbeitszeit

Lobbyismus-


An der Anhebung der Lebensarbeitszeit wird man angesichts der demografischen Entwicklung nicht vorbeikommen, so die These der Arbeitgeber-nahen Institute und Lobbyisten. Der beeispielhafte Einwurf des „Dachdeckers“ durch die Kritiker des höheren Renteneintrittsalters sei lediglich ein ungültiges Todschlagargument.

Entlassungen
Randerscheinungen übernimmt der Steuerzahler

Das Rentensystem stehe aufgrund der wachsenden Zahl der alten Menschen vor einer Bewährungsprobe. Deshalb sei die Anpassung der Lebensarbeitszeit an die Lebenserwartung eine Lösung, so Hubertus Pellengahr in einem Gastbeitrag in Focus.

Bei sämtlichen Vorschlägen, die in diese Richtung gehen, „bei denen sich der gesunde Menschenverstand und ökonomische Expertise eigentlich die Hand geben könnten“, werde immer wieder der „Dachdecker“ als Totschlagargument verwendet. Pellengahr kritisiert das meist sofort herbeigeführte Ende jeglicher Diskussionen. Dass man mit 65 nicht mehr auf Dachgiebeln herumsteigen könne, möge in vielen Fällen sogar richtig sein, aber das bedeutete eigentlich nicht das Diskussionsende. Nicht alle Deutschen arbeiteten als Dachdecker (oder vergleichbar riskante Beschäftigungen), so der Autor.

Gefragt seien die Arbeitnehmer genauso wie die Arbeitgeber. Wem bereits klar sein sollte, dass er seinen erlernten Beruf nicht bis zur Rente ausführen könne, sollte sich frühzeitig um eine Weiterbildung kümmern und auf Alternativen setzen. „Gerade im Handwerk kann die Selbstständigkeit mit ihren Gestaltungsfreiräumen eine Perspektive bieten ebenso wie das Umsatteln auf unterstützende Verwaltungstätigkeiten“, so Pellengahr.

Arbeitgeber sollten mit Weiterbildungsanreizen für entsprechende Unterstützung sorgen. Dies betreffe vor allem den Bereich Gesundheitsmanagement, damit die Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit ihrer Mitarbeiter so lange wie möglich erhalten bleiben.

Ein weiteres Totschlagargument wie das des Dachdeckers, sei die pauschale Feststellung, dass sozial Schwächere nichts von der höheren Lebenserwartung hätten. Die geringere Lebenserwartung von sozial Schwachen mag tatsächlich niedriger sein als die von besser Verdienenden und höher Gebildeten. Allerdings lebten die Ärmeren länger und seien dadurch für einen längeren Zeitraum von der Alterssicherung abhängig.

Da spricht ein lupenreiner Lobbyist von seinem Elfenbeinturm

Der Gastbeitrag strotzt von Realitätsferne, Wunschgedanken und überheblichen Zynismus.

Hubertus Pellengahr ist Geschäftsführer von „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM)“. Gegründet im Jahr 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetall und getragen von Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie. Zuvor war Pellengahr Geschäftsführer des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels (HDE).

Das Ziel des INSM beschreibt die Lobbyorganisation folgend selbst:

„Wir wollen die Soziale Marktwirtschaft an die aktuellen Herausforderungen der Globalisierung, des demografischen Wandels und die Wissensgesellschaft anpassen. Die Soziale Marktwirtschaft hat sich über Jahrzehnte bewährt – doch auch erfolgreiche Konzepte müssen fortlaufend auf ihre Zukunftsfestigkeit überprüft und modernisiert werden.“

Die „Überprüfung“ der sozialen Marktwirtschaft auf ihre „Zukunftsfestigkeit“ in Verbindung zu den „Herausforderungen der Globalisierung“ stellt nichts anderes als der Abbau der sozialen Bestandteile dar. Im Vordergrund stehen die Interessen der Arbeitgeber bzw. Unternehmen. Im Zeichen der „Globalisierung“ steht auch der Rückzug der politischen Einflüsse sowie deren bisherigen Korrekturmaßnahmen zur Wahrung der sozialen Gerechtigkeit.

Pellengahr fantasiert vom Engagement der Arbeitgeber, um die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer im Unternehmen möglichst lange aufrechtzuerhalten. Die Realität wird jedoch so aussehen, dass angesichts des zwanghaft zu steigernden Wachstums die Produktivität vorangepeitscht und die Arbeitskosten gesenkt werden. Kann der Arbeitnehmer in der privaten Wirtschaft seine erforderliche Leistung nicht mehr erbringen, wird er auf die Straße geschickt, fertig. Der Steuerzahler und die Sozialversicherungseinzahler übernehmen.

Die Anzahl der von Pellengahr als sozial Schwache beschriebenen Menschen wird mit der erfolgreichen Globalisierung zwangsläufig ansteigen. Allerdings spielte deren höhere Lebenserwartung nach Ansicht des INSM-Geschäftsführers keine Rolle, da sie schließlich ihr „armseliges Dasein“ mithilfe der öffentlich finanzierten Hilfsmittel in die Länge ziehen können.


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