BDI-Chef denkt laut über Rente mit 85 nach – Neuer Vorstoß?

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BDI-Chef Ulrich Grillo denkt laut über die Renten ab 85 Jahre nach und setzt damit einen neuen Spitzenwert der „Verhandlungsbasis“ von Seiten der Arbeitgeber.

Rollstuhlfahrer

Rente mit 85 steigert das BIP: Bezahlter Pfleger rollt Arbeitnehmer zum Arbeitsplatz

Im Frühjahr kritisierte Ulrich Grillo die abschlagsfreie Rente ab 63 als ein falsches Signal und hielt es für eine bessere Idee, die Senioren unter den Arbeitnehmern bis zum 70. Lebensjahr bei guter Laune zu halten.

Nun sprach der BDI-Chef die Rente mit 85 Jahren an. Eine eigentlich logische Konsequenz aus der steigenden Lebenserwartung der Arbeitnehmer.

Dem Magazin Wirtschaftswoche rechnete der Chef des arbeitgebernahen Verbandes vor: „Traditionell galt das Lebensalter minus 15 Jahre als angemessenes Renteneintrittsalter. Die Rente mit 65 bis 67 passt heute dazu. Wenn nun die Lebenserwartung alle 100 Jahre um 25 zunimmt, also alle vier Jahre durchschnittlich um ein Jahr, so könnte man das Renteneintrittsalter entsprechend anheben – wenn Menschen eines Tages 100 werden, würde sich rein theoretisch ein Renteneintrittsalter von 85 Jahren ergeben.“

Die Politik stehe vor dem bisher nicht gelösten Problem, dass immer weniger Arbeitnehmer immer mehr Renten erwirtschaften müssen. Damit sinke auch das Rentenniveau. Das Risiko der Altersarmut werde zwar beklagt, aber eine Lösung stehe nicht in Aussicht.

Renteneintritt ab 85: Langsam wird es plump

Der BDI-Chef zeigt sich steigerungsfähig. Noch im Februar den Renteneintritt mit 70 favorisieren, um nur wenige Monate später die 85 ins Spiel zu bringen. Grillo wäre gut beraten, die Stellenanzeigen seiner vertretenden Arbeitgeber zu studieren. „Suchen motivierte Verstärkung für das junge Team, max. 30 Jahre“.

Ein umlagenfinanziertes Rentensystem könnte die größten Probleme der Rentenfinanzierung mit einem Schlag erledigen. Der Statistiker Gerd Bosbach hat die Theorie des „zwangsläufig fallenden Rentenniveaus“ vor drei Jahren eindrucksvoll widerlegt. Die Medien ignorierten seinen Nachweis konsequent.

Doch auch nur der Ansatz, die kapitalgedeckte Rentenversicherung in Frage zu stellen, ruft die Proteste der Lobbyisten aus der privaten Versicherungswirtschaft auf den Plan. Waren doch die Vertreter der privaten Versicherer die treibende Kraft für Riester & Co. als „Auffangnetz“ für die als alternativlos notwendige Agenda 2010 aus den Federn der rot-grünen Regierungskoalition.

In der Argumentation halten Politiker und Arbeitgeber an der Wortwahl „Risiko der Altersarmut“ eisern fest. Gerade so, als wenn eine Enthauptung das Risiko des Ablebens beherberge. Dabei ist der dramatische Anstieg der inzwischen längst von Altersarmut betroffenen Rentnern offenkundig. Die wohl ohnehin „vorsichtigen“ Zahlen des Statistischen Bundesamts (Destatis) von Ende Juli beschreiben eine Verdoppelung der Empfänger von Grundsicherung („Sozialhilfe für Rentner“) innerhalb der vergangenen 10 Jahren. Wie viele bedürftige Rentner eigentlich einen Anspruch hätten, aber z.B. aus purer Scham auf Sozialhilfe verzichten, wurde von den Bundes-Statistikern außen vor gelassen.

Rente ab 85: Das Thema Pflegefall spielt hier keine Rolle?

Rund 40 Prozent der deutschen Haushalte haben es im näheren Umfeld mit einem Pflegefall zu tun. Derzeit sind rund 2,6 Millionen Menschen in Deutschland ein Pflegefall. Aktuelle Schätzungen gehen von ca. 3,4 Millionen Pflegefälle im Jahr 2030 aus. Bei den Rentnern über 80 (gemäß Grillo noch „Arbeitnehmer“) ist bereits heute jeder Dritte auf die Pflege angewiesen.

Wer vor dem offiziellen Renteneintrittsalter wegen gesundheitlichen Problemen aufgeben muss, hat doppelt verloren. Die volle Rente (ab 2030 nur noch 43% des letzten Netto-Gehalts!) ist passé. Die Grundsicherung, wie hoch diese auch immer noch ausfallen mag, wird von den Sozialversicherungspflichtigen und Steuerzahler getragen (klare Grenzen zwischen den einzelnen Kassen sind längst eingerissen). Rutscht der 84-jährige „Frührentner“ dazu als Pflegefall ab, ist die Katastrophe perfekt.

Es ist offenkundig. Am Arbeitnehmer wird an allen Ecken und Enden gespart, gekürzt, gekappt und beschnitten. Die Arbeitgeber optimieren ihre Profite, um natürlich des Arbeitsplatzerhalts willen und um in der Welt konkurrenzfähig zu bleiben. Die private Versicherungswirtschaft wittert erweiterte Geschäftsfelder, denn die rasant steigenden „Risiken der Altersarmut“ gilt es mit einer passenden Police zu minimieren.

Vorschlag Rente ab 85 gemäß „Juncker’sches Prinzip“?

Der eher flüchtig anmutende Einwurf des BDI-Präsidenten, die Rente „eventuell“ erst ab dem 85. Lebensjahr anzuheben, könnte gemäß eines bewährten Rezepts erfolgt sein:
„Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter.“ (EU-Kommissionspräsident Jean Claude Juncker, 1999)

Die Realisierung setzt natürlich das Mitspielen der Bundesregierung als Gesetzgeber voraus. Das wäre wohl eine Wette wert.





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