Wahlfreiheit PKV oder GKV: Bahrs Vorschlag dürfte zu spät kommen

Gesundheitswesen-


Der Wahlkampf für die Bundestagswahl wird bereits lebendiger. Die FDP scheint das Gesundheitswesen für einen erhofften entscheidenden Trumpf entdeckt zu haben. Doch das komplexe Thema mit der freien Wahl zwischen Gesetzlicher und Privaten, inkl. Abschaffung der Versicherungspflichtgrenze, dürfte für einen „3-Wochen-Akt“ kaum geeignet sein.

Gesundheitswesen

Das Rütteln an einem festbetonierten Sockel im Gesundheitswesen

Die Bundestagswahl rückt immer näher und falls die Privatkrankenversicherung zu einem „Wahlkampfschlager“ genutzt werden soll, dann haben die Parteien nun alle Hände voll zu tun. Die Varianten eines gewünschten Gesundheitswesens driften weit voneinander ab.

Eine Bürgerversicherung wird bereits seit Monaten von der SPD, den Grünen und den LINKEN favorisiert. Das Echo der Kritiker ist noch gar nicht verklungen, brachte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) seine eigenen Vorstellungen an die Öffentlichkeit. Prompt hagelte es erneute Kritiken aus den gegnerischen Parteien.

Die Version einer Bürgerversicherung hätte die Vereinigung der heutigen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie der Privatkrankenversicherung (PKV) zur Folge. Im Hintergrund steht der Gedanke, die „Zweiklassen-Medizin“ in Deutschland zu beenden. Doch Ärzteverbände, der PKV-Verband und das Berliner IGES Institut halten nicht sehr viel von dieser Idee. In erster Linie würde es zur Vernichtung von zahlreichen Arbeitsplätzen führen und unterm Strich müssten beinahe alle Einkommensgruppen höhere Beiträge zahlen. So lauten die Ergebnisse unterschiedlicher Studien und Einschätzungen.

Gesundheitsminister setzt Vorschlag vom PKV-Verband ausgiebig fort

Daniel Bahr versucht nun einen anderen Weg zu gehen. Nach Ansicht des Gesundheitsministers sollen die Bürger selbst entscheiden können, ob sie nun bei der GKV oder bei einer PKV versichert werden wollen. (Interview mit der Rhein-Zeitung). Dabei soll es keine Rolle mehr spielen, ob man Angestellter, Arbeiter, „Hochverdiener“ oder ein Selbstständiger ist. Die sog. Versicherungspflichtgrenze (für 2013 52.200 Euro Jahreseinkommen brutto) wäre faktisch abgeschafft. Bahr hat damit an die Visionen des Vorsitzenden des PKV-Verbandes, Uwe Laue, nicht nur angeknüpft sondern gleich „konsequent“ weiter geführt. Der Verbandschef forderte die Absenkung der Versicherungspflichtgrenze, um den gesetzlich Versicherten den Übergang zur PKV zu erleichtern.

Die Union kann sich mit der Idee nicht anfreunden

Schon kurz nach Bekanntwerden Bahrs Vorstellungen meldete sich die Opposition zu Wort und verteidigten die Pläne einer Bürgerversicherung. Die CDU ließ über den Sprecher Jens Spahn verlauten, dass man eine Abschaffung der Versicherungspflichtgrenze nicht zustimmen werde (Interview mit Spiegel). Bei einer freien Wahl würden auch ältere Menschen mit höheren Gesundheitsrisiken und Vorerkrankungen in die PKV eintreten und dafür müsse ein Risikoausgleich geschaffen werden. Andernfalls würde die PKV die Eigenschaften einer GKV annehmen.

Die SPD sträubt sich gegen Bahrs Visionen

„Klientelpolitik für die privaten Krankenversicherer“ lautete die deutliche Kritik an Bahrs Vorstellungen von Karl Lauterbach, Gesundheitsexperte der SPD. Eine offene PKV würden für die Versicherten enorme Beitragsanhebungen bedeuten. Darüber hinaus bestehe das Risiko einer Armutsfalle. Ein weiteres Problem für die sozial Schwachen will SPD Generalsekretärin Andrea Nahles erkennen. Bei einer Privatversicherung müssen die Patienten die Arztrechnungen vorstrecken. Auch wenn die Versicherung die Kosten übernimmt, dann nur zu einem späteren Zeitpunkt und dies könnte zu finanziellen Überlastungen des Versicherten führen.

Pläne für eine Öffnung der PKV werden vom Ärzteverband begrüßt

Zustimmung erhält Daniel Bahr vom Ärzteverband. Der Hartmannbund kann sich durchaus mit einer „weiten Öffnung“ der PKV anfreunden. Dr. Klaus Reinhardt, Vorsitzender des Ärzteverbandes, hält Bahrs Vorschlag für einen Wegweiser in die richtige Richtung. Doch ohne eine bis ins Detail geplante Umsetzung sollten derlei Systemveränderungen nicht durchgeführt werden, so Reinhardt. Eine Bürgerversicherung nach dem Modell der Oppositionsparteien wird vom Ärzteverband abgelehnt. Diese führten zu Einschränkungen der ärztlichen Therapiefreiheit.


Daniel Bahr würde sich etwas sehr weit aus dem Fenster hinausgelehnt haben, sollte sein Vorschlag als Wahlkampfthema dienen. Das überaus komplexe Thema Gesundheitswesen wird wohl kaum geeignet sein, allein schon „das Grobe“ innerhalb von drei Wochen zu klären, geschweige überhaupt irgendetwas in die Wege zu leiten. Außerdem wäre es irrelevant zu welchen Beschlüssen es noch vor dem 22. September kommen würde, denn „vor der Wahl“ ist erfahrungsgemäß noch längst nicht „nach der Wahl“. Und das letzte Wort haben nach wie vor die Verbände.

Tarifometer24.com – Tarife – News – Meinungen
970x250

Schreibe einen Kommentar